Internationaler Vertriebsvertrag: Anwendbares Recht und Gerichtsstand

Bei jeder Art von Vertriebsvertrag, bei dem Waren über eine Landesgrenze hinweg geliefert oder Dienstleistungen in einem anderen Land erbracht werden, sollten Erwägungen zur Ratswahl und zum Gerichtsstand im Rahmen der Vertragsverhandlungen und der allgemeinen Risikoabwägung eine besondere Rolle zukommen. Oft sind Vertragspartner nur mit dem Recht und der Gerichtsbarkeit in ihrem Heimatland vertraut und können nur auf der Grundlage der Kenntnis des heimischen Rechts Überlegungen zu Risikoaspekten im Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung und Rechtsdurchsetzung anstellen. Das gilt insbesondere für komplexe Rechtsgeschäfte, wie sie häufig in vertriebsrechtlichen Beziehungen anzutreffen sind. Schon aus diesem Grund ist es sinnvoll, im Vertriebsvertrag eine eindeutige und rechtswirksame Regelung zu dem auf den Vertrag anwendbaren Recht und dem Gerichtsstand zu treffen.

Sofern ein internationaler Vertriebsvertrag keine oder keine wirksame Regelung zum anwendbaren Recht und dem Gerichtsstand getroffen wird, so sind das auf den Vertriebsvertrag anwendbare Recht und der Gerichtsstand nach den Vorschriften des internationalen Zivilprozessrechts zu ermitteln.

Das auf den internationalen Vertriebsvertrag anwendbare Recht

Sofern die Parteien des internationalen Vertriebsvertrages keine Rechtswahl getroffen haben, also den Vertriebsvertrag nicht durch vertragliche Abrede einem bestimmten Sachrecht unterstellt haben, so ergibt sich das auf den Vertriebsvertrag anwendbare Recht in der Regel aus Art. 4 Nr. 1) und b) Rom I VO. Nach Art. 4 Abs. 1 Nr. b) Rom I VO unterliegen Dienstleistungsverträge dem Recht des Staates, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Vertriebstätigkeiten, wie die Vermittlung von Vertragsabschlüssen und die Beratung von Kunden in einem bestimmten Gebiet, sind in der Regel als Dienstleistung zu qualifizieren. Entsprechend kommt es auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Dienstleisters an. Hatte der Dienstleister zum Zeitpunkt seiner Tätigkeit einen gewöhnlichen Aufenthalt zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland,  so ist deutsches Sachrecht auf den Vertriebsvertrag anwendbar. Mit gewöhnlichem Aufenthalt ist der Lebensmittelpunkt gemeint. Gelegentliche Aufenthalte in einem anderen Land stehen dem nicht entgegen.

Zudem enthält Art. 4 Abs. 1 f) Rom I VO eine Sonderregelung für Vertragshändlerverträge. Diese unterliegen nach Art. 4 Abs. 1 f) Rom I VO dem Recht des Staates, in dem der Vertragshändler seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Im Gegensatz Art. 4 Nr. 1) und b) Rom I VO setzt Art. 4 Abs. 1 f) Rom I VO jedoch voraus, dass dies für die typische Tätigkeit eines Vertragshändlers erforderlich ist. Dies ist gesondert zu prüfen. Bei klassischen Vertragshändlern und Distributoren wird diese Voraussetzung vorliegen. Handelsvertreter, die nur Gelegenheiten für den Abschluss von Verträgen vermitteln und ohne Abschlussvollmacht als reine Abschlussvermittlers tätig sind, sind keine Vertriebshändler im Sinne von Art. 4 Abs. 1 f) Rom I VO.  

Gerichtsstand bei Vertriebsverträgen

Sofern der Gerichtsstand in einem Vertriebsvertrag nicht vertraglich vereinbart wurde, ist er nach den Regelungen des internationalen Zivilprozessrechts zu ermitteln. Bei grenzüberschreitenden Angelegenheiten mit Bezug zum europäischen Binnenmarkt sind die Regelungen der Brüssel 1 a Verordnung (Brüssel 1 a VO oder auch EUGVVO) heranzuziehen.

Bestimmung des Gerichtsstands bei Vertriebsverträgen nach der Brüssel 1 a VO

Neben dem allgemeinen Gerichtsstand am Ort der Niederlassung können besonderer Gerichtsstände nach §§ 5, 7 Nr. 1 b) Brüssel 1 a VO eröffnet sein. Zwischen mehreren Gerichtsständen kann der Kläger wählen.

Zuständigkeit der Gerichte der Gericht am Ort der Niederlassung

Gemäß Art. 4 Abs. 1 und Art. 5, 7 Nr. 1 a) Brüssel 1 a VO besteht ein allgemeiner Gerichtsstand am Ort des Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats

Art. 4 Abs. 1 Brüssel 1 a VO:

(1) Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.

Bei Gesellschaften ist auf den Ort der Geschäftsführung abzustellen, also den Ort, dem die effektive Geschäftsführung erfolgt.  

Zuständigkeit der Gerichte am Erfüllungsort des Vertriebsvertrages

Nach Art. 5, 7 Nr. 1 b) Brüssel 1 a VO kann ein weiterer Gerichtsstand am Erfüllungsort des Vertriebsvertrages eröffnet sein.

Danach kann eine Person oder Unternehmen vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist, oder zu erfüllen wäre, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden ist – ist der Erfüllungsort der Verpflichtung für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen.

Für die Erbringung von Dienstleistungen ist der Erfüllungsort der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht wurden oder hätten erbracht werden müssen. Ist dieser Ort in einem Mitgliedsland belegen, so ist dort ein Gerichtsstand eröffnet. Der Begriff des Dienstleistungsvertrages im Sinne von Nr. b) ist autonom und weit auszulegen und umfasst auch Beratungs- und Vermittlungsverträge. Ferner gilt der Erfüllungsort der vertragstypischen Leistung für alle Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis, also auch für die Zahlungsverpflichtungen des Dienstleistungsgläubigers.

Autor: Christian Feierabend, Rechtsanwalt am Standort Berlin

Christian Feierabend

Christian Feierabend

Rechtsanwalt | Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

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