Update zur Wirecard-Affäre

Zuständigkeit des LG München I für Schadensersatzklagen gegen Wirtschaftsprüfer Ernst & Young

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit Beschlüssen vom 28.06.2021 über die Zuständigkeit des Landgerichts München I in mehreren parallelen Schadensersatz-Klageverfahren der Wirecard AG gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young GmbH entschieden.
Zunächst hatten die Geschädigten der Wirecard AG die Ernst & Young GmbH vor dem Landgericht Stuttgart in Anspruch genommen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft habe aufgrund mangelhafter Prüfung der Konzernabschlüsse das Aufdecken der Manipulationen erheblich verzögert. Wäre die Prüfungsgesellschaft ihrer Pflicht ordnungsgemäß nachgekommen und wären die Manipulationen somit früher aufgedeckt worden, so hätten die Kläger infolge des Kursverfalls keine Aktien der Wirecard AG gekauft und ein Schaden wäre letztlich ausgeblieben.

Nachdem das Landgericht Stuttgart sich allerdings für unzuständig erklärte, verwies es die Sache an das seiner Ansicht nach zuständige Landgericht München I. Dieses erklärte sich jedoch ebenfalls für unzuständig und legte den Streit zur Entscheidung über die Zuständigkeit gem. § 36 Abs. I Nr. 6 ZPO dem Oberlandesgericht Stuttgart vor. Nach dieser Regelung soll bei Streitigkeiten über die Zuständigkeit das nächsthöhere Gericht die Zuständigkeit bestimmen. Das OLG Stuttgart bestätigte daraufhin die Verweisung an das LG München I. Die Verweisung des LG Stuttgarts habe bindende Wirkung. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, welche die Bindungswirkung entfallen ließe, liege nicht vor. Zudem entbehre die Verweisung auch nicht jeder gesetzlichen Grundlage oder sei willkürlich. Somit werde die Zuständigkeit des LG München I bereits aufgrund der Verweisung begründet.
Außerdem liege für das LG München I eine ausschließliche Zuständigkeit nach § 32b Abs. I Nr. 1 ZPO vor. Danach ist für Schadensersatzklagen wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen das Gericht am Sitz des betroffenen Emittenten, des betroffenen Anbieters von sonstigen Vermögensanlagen oder der Zielgesellschaft ausschließlich zuständig, so-weit dieser Sitz im Inland liegt. Diese öffentlichen Kapitalmarktinformationen liegen hier in den Bestätigungsvermerken der Ernst & Young GmbH auf den Konzernabschlüssen der Wirecard AG. Somit liege in diesem Fall ein gegenüber dem allgemeinen Gerichtsstand (Sitz der Beklagten in Stuttgart) vorrangiger, besonderer und ausschließlicher Gerichtsstand in München vor. Weiterhin führt das OLG Stuttgart aus, dass die Grundsätze des Bundesgerichtshofes zur Einschränkung des § 32b Abs. I Nr. 1 ZPO vorliegend nicht anwendbar seien. Somit bleibe es bei der Zuständigkeit des LG München I.

Von einer Vorlage an den BGH hat das OLG Stuttgart bei seiner Entscheidung abgesehen, da bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts keine Abweichung von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des BGH selbst vorliege.
Zum Wirecard-Skandal haben wir Ihnen bereits in drei vorangegangenen Artikeln berichtet, auf die wir an dieser Stelle gerne verweisen. Zuletzt ging es hierin um die milliardenhohen Forderungen der Insolvenzgläubiger der Wirecard AG.
Gerne halten wir Sie auch künftig weiter auf dem Laufenden!

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