Steuerpflichtigkeit von „Zufällig-Amerikanern“ und Verlust des Bankkontos in Deutschland
Viele Europäer sind – ohne es zu wissen – steuerpflichtig in den USA. Es handelt sich hierbei um so-genannte „Zufällig-Amerikaner“, also Menschen die immer in Deutschland gelebt, jedoch einen amerikanischen Elternteil haben oder etwa im Rahmen eines kurzen USA-Aufenthalts der Eltern in den USA geboren worden sind. Oftmals besitzen diese Menschen gar keinen amerikanischen Pass, sind aber dennoch steuerpflichtig. So kann es zu unbewussten Steuerhinterziehungen kommen.
Um dem entgegenzuwirken, haben die Vereinigten Staaten mit einigen europäischen Staaten Ab-kommen geschlossen, die unter anderem deutsche Banken und Sparkassen zur Meldung von Kun-den verpflichten, die in den USA steuerpflichtig sind. Gemeldet werden müssen Konto- und De-potsalden, Zinsen, Dividenden und andere Erträge. Denn nach dem in den USA geltenden FACTA (Foreign Account Tax Compliance Act) sind alle in den USA Steuerpflichtigen dazu verpflichtet, Aus-landsbankverbindungen den amerikanischen Steuerbehörden zu melden.
Problematisch ist, dass es auch für die deutschen Finanzinstitute nur schwer zu erkennen ist, wel-che Kunden tatsächlich in den USA steuerpflichtig sind. Somit kommt es mitunter dazu, dass solche Personen, die ihren Geburtsort in den Vereinigten Staaten oder eine Postadresse dort haben, als Neukunden von den deutschen Banken abgelehnt werden. Der bürokratische Aufwand sei zu hoch.
Hinsichtlich der Bestandskunden prüfen Bankaufseher grds. einmal jährlich die Einhaltung der Re-geln in einer Compliance-Prüfung. Die Commerzbank etwa löst(e) das Problem, indem Personen, die in den USA steuerpflichtig sind, Wertpapierdepots nicht mehr als Selbstentscheider führen dür-fen. Stattdessen entscheidet hier nun die Bank anstelle des Kunden jeweils über die Wertpapier-auswahl und über Käufe und Verkäufe – was für den Kunden mit höheren Kosten verbunden ist. So soll gewährleistet sein, dass nur in den Vereinigten Staaten zugelassene Fonds und Zertifikate gekauft werden. Allerdings wurden die Regeln von den USA zu Beginn des Jahres 2020 nochmals strenger. Kunden droht aufgrund dessen der Ausschluss vom Zahlungsverkehr und der Verlust des Bankkontos.
Nach den neuen Regeln muss von den Banken insbesondere auch eine Social Security Number der Kunden mit Amerika-Bezug vorgelegt werden. Es handelt sich hierbei um die amerikanische Sozial-versicherungsnummer, die auch zur Steueridentifikation dient. Diese zu beschaffen, bedeutet ei-nen erheblichen bürokratischen Aufwand. Schätzungsweise besitzen noch nicht einmal 60 Prozent der in Europa lebenden Amerikaner eine Social Security Number.
Der Verlust des Bankkontos wird den Kunden von den Banken angedroht, sollten diese die Sozial-versicherungsnummer nicht innerhalb einer Frist angeben. Viele fühlten sich jedoch mangels eige-ner Kenntnis einer Steuerpflichtigkeit in den USA nicht angesprochen, sodass bereits zahlreiche Verträge seitens der Bank gekündigt worden sind. So musste die ING-Diba, die größte deutsche Direktbank, im Jahre 2018 gegenüber 200 Kunden mit Amerika-Bezug die Kündigung aussprechen.
Es wird kritisiert, dass die Lage den Kunden insbesondere im Blick auf ihre Steuerpflichtigkeit nicht hinreichend verdeutlicht werde. Zudem müssen die Betroffenen zur Beschaffung der Sozialversi-cherungsnummer ein amerikanisches Konsulat aufsuchen. Der Vorgang kann sechs bis neun Mona-te dauern, wenn der Kunde in den USA geboren wurde, bei einem in Europa geborenen Kunden dauert das Verfahren etwa zwei bis drei Monate. Häufig wird daher die von der Bank gesetzte Frist versäumt bzw. kann selbst bei sofortigem Handeln nicht eingehalten werden.
Kunden der Commerzbank hatten bis 2020 hingegen keine Kündigung zu befürchten. Die Social Security Number sei nur eine von fünf möglichen Steueridentifikationsnummern und daher nicht zwingend erforderlich. Sollte die Nummer nicht vorliegen, so könne die Commerzbank den ameri-kanischen Behörden auch das Geburtsdatum des Kunden angeben. Diese „Praktikerlösung“ entfällt leider ab dem Jahr 2020.
Das hier dargestellte Problem besteht unter anderem auch in den Niederlanden. Die holländische Bankenvereinigung hat anlässlich dessen im Jahre 2016 Daten für ganz Europa erhoben. Sie kam zu dem Ergebnis, dass in Deutschland zu diesem Zeitpunkt etwa 53.000 in den USA Steuerpflichtige ohne Sozialversicherungsnummer lebten.
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