Dieser Beitrag beleuchtet die Voraussetzungen für die Zustellung einer einstweiligen Verfügung im Ausland. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Zustellung innerhalb der EU auf Grundlage der EU Zustellungsverordnung (EuZVO).
Zur Ausgangslage:
Die gerichtliche Durchsetzung von Rechtsansprüchen kann mitunter viel Zeit in Anspruch nehmen. Um weitere Rechtsverletzungen zu verhindern und den Satus Quo bis zu einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung zu wahren, kann sich die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung anbieten. Die einstweilige Verfügung bietet sich insbesondere dann an, wenn es um die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen geht, beispielsweise um zu verhindern, dass ein Vertrag verletz, ein Grundstück rechtwidrig veräußert oder eine Marke widerrechtlich benutzt wird. Ähnlich wie andere gerichtliche Entscheidungen, wird die einstweilige Verfügung erst dann wirksam, wenn sie dem Adressaten zugestellt wurde und dieser so Kenntnis vom Inhalt der einstweiligen Verfügung erlangen konnte. Während andere gerichtliche Entscheidungen, wie zum Beispiel ein Urteil, durch dem Adressaten durch das Gericht zugestellt werden, erfolgt die Zustellung einer einstweiligen Verfügung, die ein deutsches Gericht erlassen hat, im Parteiverkehr. Das bedeutet, dass der Antragsteller selbst dafür zu sorgen hat, dass die einstweilige Verfügung dem Antragsgegner zugestellt wird. Für eine wirksame Zustellung sind dabei einige formale Anforderungen zu beachten, bei deren Nichterfüllung der Antragsteller eine Aufhebung der einstweiligen Verfügung riskiert. Hinzukommt, dass der Antragsteller die Zustellung der einstweiligen Verfügung sehr zeitnah bewirken muss.
Im Folgenden sollen die rechtlichen Anforderungen an die Zustellung einer einstweiligen Verfügung im Ausland (der Schwerpunkt liegt auf der EU) erläutert werden.
Rechtliche Grundlagen für die Zustellung einer einstweiligen Verfügung im Ausland (EU)
Die Zustellung einer einstweiligen Verfügung an einen Adressaten im Inland erfolgt nach §191 ZPO im Parteibetrieb. Dazu wird in der Regel nach § 192 ZPO ein Gerichtsvollzieher mit der Zustellung beauftragt. Ist die einstweilige Verfügung im Ausland zu vollziehen, so kommt eine Zustellung durch den deutschen Gerichtsvollzieher nicht in Betracht, da dieser nur im Inland hoheitliche Befugnisse hat, die für eine Zustellung im Sinne des § 192 ZPO erforderlich sind.
Die Zustellung einer einstweiligen Verfügung in einem anderen EU Mitgliedsstaat erfolgt gemäß § 183 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich nach den Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EU Zustellungsverordnung oder EuZVO). Die Regelungen des § 183 ZPO und der EuZVO treten in diesem Fall an die Stelle der §§ 191 ff. ZPO.
Die Anwendung der EuZVO setzt voraus, dass diese sachlich und räumlich anwendbar ist. Dies ist nach Art. 1 Abs. 1 EuZVO immer dann der Fall, wenn ein gerichtliches oder außergerichtliches Schriftstück von einem Mitgliedsstaat in einen anderen Mitgliedstaat zum Zwecke der Zustellung zu übermitteln ist. Bei einer einstweiligen Verfügung handelt es sich um ein Schriftstück im Sinne von Art. 1 Abs. 1 EuZVO.
Zustellungsarten der EuZVO
Anders als bei einer Zustellung im Inland nach den §§ 191 ff. ZPO, kann bei einer Zustellung nach der EuZVO häufig zwischen verschiedenen Zustellungsarten gewählt werden. In der Praxis relevant sind insbesondere die Zustellung nach Art. 4 EuZVO unter Nutzung der besonderen Übermittlungs- und Empfangsstellen sowie die Zustellung nach Art. 14 EuZVO mit einem Postdienst. Möglich, aber aufgrund des Ausnahmecharakters zumindest innerhalb der EU selten relevant, ist ferner die Zustellung durch Übermittlung auf konsularischem oder diplomatischem Weg nach Art. 12, 13 EuZVO. Zusätzlich besteht nach Art. 15 EuZVO die Möglichkeit der unmittelbaren Zustellung, die aber einschlägige Kenntnisse des innerstattlichen Zustellungsrechts im Zielstaat erfordert und daher ebenfalls selten praktisch relevant wird.
Zustellung unter Nutzung der besonderen Übermittlungs- und Empfangsstellen nach Art. 4 EuZVO
Auf Antrag beim zuständigen Gericht, welches die einstweilige Verfügung erlassen hat, kann die Zustellung der einstweiligen Verfügung im Ausland an den Adressaten nach Art. 4 EuZVO durch die besonderen Übermittlungs- und Empfangsstellen erfolgen. Der Vollziehungsfrist ist erfüllt, sofern der Zustellungsantrag innerhalb der Vollziehungsfrist gestellt wird und die Zustellung bei Antragstellung „demnächst“ erfolgt. Es sollte daher unbedingt auf die Vollständigkeit der zuzustellenden Dokumente und Anlagen geachtet werden. Gefährlich können auch unvollständige oder falsche Adressangaben zum Zustellungsempfänger sein. Verzögerungen bei der Zustellung können dazu führen, dass die Zustellung bei Antragstellung nicht mehr „demnächst“ zu erwarten war und eine Vollziehung der einstweiligen Verfügung unmöglich wird.
Zustellung mit einem Postdienst nach Art. 14 EuZVO
Die Zustellung kann auch durch die Partei mit einem Postdienst nach Art. 14 EuZVO erfolgen. Der Versand muss in diesem Fall per Einschreiben mit Rückschein oder einem gleichwertigen Beleg erfolgen. Zum Nachweis der Zustellung nach Art. 14 EuZVO genügt nach § 1068 ZPO der Rückschein, bzw. ein gleichwertiger Beleg. Wir raten davon ab, Zustellungen durch Einschreiben mit elektronischem Zustellungsnachweis zu nutzen, da der elektronische Zustellungsnachweis mitunter nicht den gleichen Beweiswert wie ein Rückschein hat, also kein „gleichwertiger Beleg“ im Sinne von Art. 14 EuZVO und § 1068 ZPO ist.
Weitere Formale Anforderungen der EuZVO
Wie für alle anderen Zustellungen im Anwendungsbereich der EuZVO ist auf die korrekte Verwendung des Formblatts aus Anhang II zur EuZVO sowie gegebenenfalls die Beigabe von Übersetzungen nach Art. 8 EuZVO zu pachten. Im Hinblick auf die Vollziehungsfrist kann insbesondere bei einer Beschlussverfügung eine zeitnahe Übersetzung problematisch sein. Entsprechende organisatorische Vorkehrungen sollten daher frühzeitig, mitunter schon im Antragsverfahren, getroffen werden.
Praxishinweise
Die Problematik der Zustellung der einstweiligen Verfügung im Ausland lässt sich dadurch umgehen, dass der einstweilige Rechtsschutz gleich im Land des Adressaten in Anspruch genommen wird. In diesem Fall ist die Zustellung allein nach den Vorschriften für eine Zustellung im Inland des maßgeblichen Staates zu bewirken. Dies setzt allerdings voraus, dass ein Gerichtsstand im Zielstaat zur Verfügung steht. Ein entsprechender Gerichtsstand kann als ausschließlicher oder auch zusätzlicher Gerichtsstand zwischen den Parteien vertraglich vereinbart werden. Sofern bei der Gestaltung der Gerichtstandklausel eine asymmetrische Gerichtstandklausel mit Wahlrecht einer Partei vereinbart wird, so ist zu beachten, dass entsprechende Klauseln in einigen EU-Mitgliedsstaaten als unwirksam betrachtet werden. Zudem kann sich dann auch die Problematik von fehlender Kongruenz zwischen Gerichtsstand und anwendbarem Sachrecht stellen, wenn das per Rechtswahl vereinbarte Recht ein anderes ist, als das Sachrecht des Zielstaates. In diesem Fall würde das Gericht im Zielstaat auf Grundlage eines fremden Sachrechts entscheiden, was neben anderen potentiellen Folgen auch negative Auswirkungen auf die Verfahrensdauer hätte.
Eine mögliche Lösung kann eine Schiedsvereinbarung darstellen.
Autor: Christian Feierabend, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht am Standort Berlin