Autor: Christian Feierabend | Kompetenz: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht
Übersicht zur EU-Lieferkettenrichtlinie – Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Die EU-Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht (auch: Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit, bzw. Corporate Sustainability Due Diligence Directive oder kurz: CSDDD oder CS3D) legt erfassten Unternehmen menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten sowie Vorgaben für einen Klimaplan auf. Ziel der Richtlinie ist es, dass Unternehmen in der EU für die negativen Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen sowie auf die Umwelt zu sensibilisieren und zu angemessenen Maßnahmen zur Vermeidung der Auswirkungen zu verpflichten.
Gesetzgebungsprozess der EU-Lieferkettenrichtlinie
Die Europäische Kommission legte am 23. Februar 2022 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur nachhaltigen Unternehmensführung vor. Am 14. Dezember 2023 wurde eine vorläufige politische Einigung zwischen der EU-Ratspräsidentschaft und dem Europäischen Parlament erreicht, und am 15. März 2024 stimmte die qualifizierte Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten zu. Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments (JURI) nahm die Einigung am 19. März 2024 an.
Ziele der EU-Lieferkettenrichtlinie
Die EU-Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht zielt darauf ab, negative Auswirkungen in Lieferketten auf verschiedene gesellschaftliche Bereiche sowie auf die Umwelt zu identifizieren und zu verhindern. Zu den wesentlichen Elementen gehören die Integration von Sorgfaltspflichten in die Unternehmenspolitik und die Identifizierung tatsächlicher und potenzieller Geschäftsauswirkungen. Unternehmen sollen potenziell nachteilige Auswirkungen ihrer geschäftlichen Tätigkeit verhindern oder zumindest minimieren sowie bereits eingetretene Menschenrechts- und Umweltauswirkungen abstellen. Die Einrichtung und Aufrechterhaltung eines umfassenden Beschwerdeverfahrens ist ebenfalls vorgesehen. Die Wirksamkeit der Richtlinien und der vorgesehenen Maßnahmen soll durch regelmäßige Überprüfungen überwacht werden. Zudem ist ein jährliches Reporting über den Umgang von Unternehmen mit den Sorgfaltspflichten angedacht.
Einführung der EU-Lieferkettenrichtlinie in Etappen
Die EU-Lieferkettenrichtlinie wird in Etappen eingeführt. Der Entwurf des EU-Parlaments zum europäischen Lieferkettengesetz sieht eine schrittweise Reduktion des Schwellenwerts vor, ab dem Unternehmen den Pflichten der Richtlinie unterliegen. Diese Reduktion erfolgt über einen Zeitraum von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes und wird schließlich Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitenden und einem weltweiten jährlichen Nettoumsatz von 40 Millionen Euro umfassen. Auch Nicht-EU-Unternehmen, die einen Umsatz von 150 Millionen Euro innerhalb der EU erzielen, werden einbezogen. Im Vergleich dazu gilt das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) seit dem 1. Januar 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten und wird ab dem 1. Januar 2024 auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten ausgeweitet.
EU-Lieferkettenrichtlinie und Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz im Vergleich
Die auf EU-Ebene vorgesehenen Sorgfaltspflichten und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) weisen deutliche konzeptionelle Parallelen auf. Beide Regelwerke basieren auf gesetzlichen Systematiken, die auf internationale Übereinkommen verweisen, und enthalten nahezu identische Sorgfaltspflichten mit Fokus auf Risikoprävention und Abhilfemaßnahmen bei Umwelt- oder Menschenrechtsverletzungen.
Ein wesentlicher Aspekt der EU-Lieferkettenrichtlinie ist die Pflicht zur kontinuierlichen Durchführung einer Risikoanalyse, ohne feste Intervalle. Dies bedeutet für Unternehmen einen fortlaufend erhöhten Aufwand, um die Einhaltung der Sorgfaltspflichten sicherzustellen. Die EU-Richtlinie berücksichtigt insbesondere Situationen, in denen negative Auswirkungen auf Schutzgüter nicht behoben werden können. In solchen Fällen muss vor der Beendigung einer Handelsbeziehung geprüft und abgewogen werden, welche negativen Folgen diese Aussetzung hat. Zudem sollen die Mitgliedstaaten zivilrechtliche Regelungen einführen, die eine Beendigung der Geschäftsbeziehung vertraglich ermöglichen.
Ein signifikanter Unterschied zwischen der EU-Lieferkettenrichtlinie und dem LkSG liegt im Umgang mit der Lieferkette. Während das LkSG einen abgestuften Pflichtenmaßstab anwendet und zwischen unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern unterscheidet, fordert die europäische Regelung, dass an alle Glieder der Lieferkette der gleiche Pflichtenmaßstab angelegt wird. Die Überprüfung der mittelbaren Zulieferer erfolgt unabhängig davon, ob es substanzielle Kenntnisse über Risiken für Schutzgüter gibt. Die EU-Lieferkettenrichtlinie umfasst die gesamte Wertschöpfungskette, sowohl Upstream über den Rohstoff bis zum fertigen Produkt als auch Downstream bis zum Endverbraucher, und schließt damit auch die nachgelagerte Wertschöpfungskette ein. Allerdings bleibt derzeit noch offen, in welcher Weise die Endkunden von den Regelungen erfasst sind.
Zudem ist in der EU-Lieferkettenrichtlinie ein deutlich stärkerer Umweltfokus, inklusive Anforderungen eines Klimaschutzplans im Einklang mit dem Pariser Abkommen, vorgesehen. Zudem sieht die EU-Lieferkettenrichtlinie im Gegensatz zum LkSG eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen bei direktem Verursachungsbeitrag für negative Auswirkungen der Lieferkette vor.
Christian Feierabend
Rechtsanwalt | Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht | Partner
Christian Feierabend bearbeitet Mandate aus den Bereichen Internationalisierung, Markteintritt, Transaktionen und Internationaler Vertrieb am BridgehouseLaw Standort Berlin.