Widerrufsrecht bei Darlehen

Überblick

Der Widerruf gibt Verbrauchern die Möglichkeit sich vom Vertrag durch einseitige Erklärung zu lösen. Die Frist beträgt 14 Tage, beginnt jedoch erst, sofern der Verbraucher über das Bestehen des Widerrufsrechts, die Rechtsfolgen des Widerrufs und sonstige Angaben unterrichtet worden ist. Für bestimmte Zeiträume musste die Widerrufsbelehrung zudem klar und deutlich textlich abgehoben, d.h. eindeutig zu erkennen, gewesen sein.
Seit der Reform des Schuldrechts im Jahre 2002, hat das Widerrufsrecht und die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung, insbesondere beim Widerruf von Darlehensverträgen, zahlreiche Änderungen (Neufassung BGB-Informationspflichten-Verordnung [BGB-InfoV], Verbraucherkreditrichtlinie [CCD], Gesetz zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation, Verbraucherrechterichtlinie [CRD], Wohnimmobilienkreditrichtlinie [MCD]) erfahren.

Das Widerrufsrecht gilt grundsätzlich für entgeltliche Darlehensverträge (und Neugewährungen eines Kapitalnutzungsrechts bei Vertragsverlängerungen; im Einzelnen zu prüfen, ob Prolongation, Novation, Forward-Darlehen echte Abschnittsfinanzierungen darstellen) zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber (Bank/ Kreditinstitut) und einem Verbraucher (auch eigene Vermögensverwaltung kann den Verbraucherbegriff erfüllen) als Darlehensnehmer.

Fehlerhafte Widerrufsbelehrung

Nach einer Studie der Verbraucherzentrale Hamburg waren ca. 80% der geprüften Widerrufsbelehrungen verschiedenster Banken fehlerhaft.
Durch die damalige Gesetzeslage entstand aufgrund fehlerhafter Belehrung ein sog. „ewiges Widerrufsrecht“. Wenn nicht ordnungsgemäß, d.h. fehlerhaft, belehrt wurde, fing die Frist zur Ausübung des Widerrufs nicht an zu laufen.
Viele Verbraucher nutzten, beginnend ab dem Jahr 2014, ihre Chance und widerriefen erfolgreich sowohl laufende als auch beendete Darlehensverträge. Bei laufenden Darlehensverträgen bestand der evidente Vorteil darin, dass man mittels eines anderen erheblich zinsgünstigeren Darlehens umschulden konnte und ggfs. durch Verzinsung des Tilgungsanteils der jeweiligen monatlichen Raten sogar weniger zurückzahlen musste – und das ganz ohne Anfall einer Vorfälligkeitsentschädigung.

„Ewiges Widerrufsrecht“

Der Gesetzgeber hat dies erkannt und das sog. „ewige Widerrufsrecht“ durch Neufassung des Art. 229 § 38Abs. 3 Satz 1 EGBGB für Verträge zwischen 01.09.2002 und 10.06.2010 abgeschafft. Die „Abschaffung“ bezieht sich dabei nur auf Altverträge in diesem Zeitraum und sog. Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge, d.h. das ewige Widerrufsrecht bei allen anderen Verträgen besteht weiterhin fort (mit Ausnahme von Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen ab dem 21.03.2016, §356b BGB). Es gilt daher zur Widerruflichkeit folgendes:
– Verträge ab 11.06.2010 bis zum 21.03.2016: Das „ewige Widerrufsrecht“ gilt weiterhin, sofern die Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist.
– Verträge ab dem 21.03.2016: Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge sind weiterhin widerruflich. Für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge ist der Widerruf spätestens nach 12 Monaten und 14 Tagen erloschen.
Alleine im Zeitraum Juli 2010 bis heute, wurden die gesetzlichen Musterwiderrufsbelehrungen (die teilweise ebenfalls fehlerhaft waren) vier Mal geändert.
Viele Belehrungen in diesem Zeitraum waren daher fehlerbehaftet.
Sowohl die gesetzlichen Musterbelehrungen, als auch die identischen von den Banken und Kreditinstituten verwendeten Belehrungen enthielten ab ca. Juli 2010 folgenden Verweis zum Beginn der Frist:
„[…] aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat […].

Entscheidung des EuGH, Rechtssache C 66-19 vom 26.03.2020

Hierzu hat der Europäische Gerichtshof nunmehr mit Urteil vom 26.03.2020, in der Rechtssache C-66/19 entschieden.

Kaskadenverweisung unverständlich

Nach den Urteilsgründen müssen Widerrufsbelehrungen bei allen Darlehensverträgen in klarer und prägnanter Form die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist angeben. Die Widerrufsbelehrung dient dazu, dem Verbraucher ein hohes Maß an Schutz zu gewähren, andernfalls würde die Wirksamkeit des Widerrufsrechts ausgehöhlt.
„Das vorlegende Gericht stellt somit fest, dass die Pflichtangaben, deren Erteilung an den Verbraucher […] für den Beginn der Frist für den Widerruf des Vertrags maßgeblich sei, als solche nicht in dem in Rede stehenden Vertrag enthalten seien. Um sie herauszufinden, müsse sich der Verbraucher daher mit einer Vielzahl nationaler Bestimmungen beschäftigen, die in verschiedenen Gesetzeswerken enthalten seien. […] daher festzustellen, dass ein Verweis in dem in Rede stehenden Vertrag auf die nationalen Rechtsvorschriften […] nicht dem […] Erfordernis genügt, den Verbraucher […] in klarer, prägnanter Form über die Frist und die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren.“
Sofern die Widerrufsbelehrung also wie oben oder in den untenstehenden Beispielen fehlerhaft ist, besteht die Möglichkeit des Widerrufs des Vertrages.

Rechtsfolgen des Widerrufs

Der Vorteil des Kunden nunmehr von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, findet sich in den Rechtsfolgen.
Durch den Widerruf wird der Darlehensvertrag mit Wirkung für die Zukunft (ex nunc) in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Die wechselseitigen Leistungen sind grundsätzlich nach Widerruf zurück zu gewähren.
Bei einem Darlehensvertrag wird ein Kapitalnutzungsrecht gegen Zahlung von Zinsen eingeräumt.

Ansprüche der Bank gegen den Kunden

Der Kunde muss folglich der Bank die ausgezahlte Darlehenssumme zurückzahlen. Bereits entrichtete Raten (bei Annuitätendarlehen) bestehen aus einem Zins- und einem Tilgungsanteil. Der Tilgungsanteil der Rate bedient den Darlehensrückzahlungsanspruch. Neben der Leistungsrückgewähr sieht das Gesetz ferner den Ersatz des Gebrauchsvorteils, §346 Absatz 2 Satz 1 BGB, vor. Dies ist die Verzinsung des von der Bank überlassenen Darlehenskapitals, also im Zweifel der Vertragszins. Der Verbraucher kann jedoch üblicherweise nachweisen, dass der Gebrauchsvorteil niedriger war, er also (in zusätzlicher Betrachtung der sonstigen Kreditkonditionen) einen höheren, als den marktüblichen Zins mit der Bank vereinbart hat.

Ansprüche des Kunden gegen die Bank

Die Bank muss dem Kunden grundsätzlich die gezahlten Zins- und Tilgungsleistungen zurückzahlen. Auch hierbei schuldet die Bank jedoch den Ersatz gezogener Nutzungen, §346 Absatz 1 Halbsatz 2 BGB. Dies bedeutet, dass Zahlungen des Kunden bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen mit 2,5%- Punkten über dem Basiszinssatz und bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen mit 5%-Punkten über dem Basiszinssatz verzinst werden. Auch hier wird (nur) widerleglich vermutet, dass die Bank Nutzungen in dieser Höhe gezogen hat. Der Bank verbleibt es, niedrigere Nutzungen nachzuweisen. In der Praxis wird dies jedoch nicht geschehen, da die Bank sodann ihre Margen offenlegen müsste.
Durch den Kunden geleistete Bereitstellungszinsen/-provisionen sind ebenso zurück zu zahlen, wie etwaig geleistete Disagios oder Bearbeitungsgebühren. Darüber hinaus hat die Bank alle kundenseits gewährten Sicherheiten freizugeben.

Abrechnungssaldo/ Aufrechnung

Nach Aufrechnung/ Verrechnung der wechselseitigen Ansprüche verbleibt auf Kunden-/Verbraucherseite meist ein (teils erheblicher) rechnerischer Vorteil gegenüber der regulären Vertragsfortführung. Eine Prüfung bleibt hier jedoch dem Einzelfall vorbehalten.

Beispielsweise, wenn folgende Belehrungen verwendet wurden, steht Ihnen ggfs. noch ein Widerrufsrecht zu:

Widerrufsinformation
Widerrufsrecht

Der Darlehensnehmer* kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB (z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat. Der Darlehensnehmer hat alle Pflichtangaben erhalten, wenn sie in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung seines Antrags oder in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde oder in einer für den Darlehensnehmer bestimmten Abschrift seines Antrags oder der Vertragsurkunde enthalten sind und dem Darlehensnehmer eine solche Unterlage zur Verfügung gestellt worden ist. Über in den Vertragstext nicht aufgenommene Pflichtangaben kann der Darlehensnehmer nachträglich auf einem dauerhaften Datenträger informiert werden; die Widerrufsfrist beträgt dann einen Monat. Der Darlehensnehmer ist mit den nachgeholten Pflichtangaben nochmals auf den Beginn der Widerrufsfrist hinzuweisen. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs, wenn die Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. Brief, Telefax, E-Mail) erfolgt. Der Widerruf ist zu richten an: […]“
oder

Wir halten die aktuelle Gesetzgebung im Blick und aktualisieren diese Information stetig. Achten Sie daher bitte auf die Aktualitätsangabe in der Kopfzeile dieser Information.

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