Beitritt der USA zum Haager Übereinkommen über die Vollstreckung und Anerkennung ausländischer Urteile in Zivil- Und Handelssachen (HVAÜ)/ Ratifizierung in den Vertragsstaaten steht noch aus

Die USA traten am 02. März 2022 dem Haager Übereinkommen über die Vollstreckung und Anerkennung ausländischer Urteile in Zivil-und Handelssachen (HVAÜ) bei. Dies geschah, während es innerhalb der EU längerfristig lediglich bei einem Beitrittsvorschlag geblieben ist. Zu diesem gab die europäische Kommission bereits im Juli 2021 ihre Zustimmung. Innerhalb der EU habe man zunächst auf einen Beitritt der Vereinigten Staaten warten wollen – dies ist nun geschehen.
Am 29. August 2022 hat die Europäische Union sodann ebenfalls ihre Beitrittsurkunde zum Haager Übereinkommen hinterlegt und ist nun Vertragsstaat.
Das neue Haager Übereinkommen kam auf Drängen der USA zustande, welche die Vereinheitlichung und Vereinfachung der Anerkennung ausländischer Urteile begehrten. Die gleichnamige Vorgängerversion aus dem Jahre 1971 war infolge fehlender internationaler Akzeptanz gescheitert. Die Verhandlungen über das neue Abkommen wurden auf Initiative der Vereinigten Staaten im Jahre 1992 aufgenommen.

Wie das Verfahren in den USA bislang verlief

Bisher musste ein Gläubiger, der in den USA ein ausländisches Urteil vollstrecken wollte, zunächst von einem dort ansässigen Gericht prüfen lassen, ob das Urteil anerkennungsfähig ist. Dies richtete sich nach dem Recht der jeweiligen Einzelstaaten, ohne dass es einen standardisierten Maßstab im Sinne eines Völkerrechtsvertrags oder einer „federal statute“ – eines vom Kongress erlassenen Gesetzes – gegeben hätte.
Die meisten US-Bundesstaaten entschieden nach den Modellgesetzen des Uniform Foreign Money Judgements Recognition Act (Uniform Acts) von 1962 bzw. von 2005. Diese haben alle, bis auf 13 U.S.-Staaten übernommen. Für die übrigen 13 Bundesstaaten, sowie für Entscheidungen, die nicht in den Anwendungsbereich der Modellgesetze fallen, galten hingegen die Grundsätze der comity of nations, welche der U.S. Supreme Court seit der Entscheidung Hilton vs. Guyot etablierte.
Sofern nach einer dieser Regelungen die ausländische Entscheidung wiederum per anerkennendem Urteil eines U.S.-Gerichts anerkannt wurde, konnte letzteres Urteil in sämtlichen Bundesstaaten ohne weiteres vollstreckt werden. Dies wurde ermöglicht durch den sog. Full Faith Credit Clause.

Inhalt des Haager Übereinkommens

Inhaltlich ist im Haager Übereinkommen einheitlich die Anerkennung und Vollstreckung solcher Urteile geregelt, die in einem Vertragsstaat von einem staatlichen Gericht erlassen wurden.
Anwendbar ist es darüber hinaus auf Prozessvergleiche und Kostenbeschlüsse – vorausgesetzt, der Vergleich hat urteilsgleiche, anerkennungsfähige Wirkung bzw. dem Kostenbeschluss liegt ein anerkennungsfähiges Urteil zugrunde. Nicht eröffnet ist der Anwendungsbereich, wenn es sich um Schiedssprüche handelt.
Der sachliche Anwendungsbereich ist eröffnet, sofern es sich um Zivil- oder Handelssachen handelt und keine Bereichsausnahme greift, wie etwa im Bereich des Kartellrechts und des Persönlichkeitsrechts.

Art. 5 des Abkommens normiert einen abschließenden Katalog anerkannter Gerichtsstände, demnach ist jedenfalls die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts vorausgesetzt.
Konkret anerkennungsfähig ist eine ausländische Entscheidung im Einzelfall beispielsweise, wenn der Schuldner seine Niederlassung im ausländischen Forum hat, die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts anerkannt oder sich rügelos eingelassen hat und der Handlungsort im Falle einer außervertraglichen Haftung wegen eines Personen- oder Sachschadens innerhalb des Forums liegt.
Nach Art. 7 ff. HVAÜ kann, sofern einer der dort genannten Versagungsgründe greift, die Anerkennung der ausländischen Entscheidung – zum Beispiel wegen Prozessbetrugs oder einem wesentlichen Verstoß gegen die Zustellungsvorschriften des Zweitstaats – verweigert werden. Eine entgegenstehende rechtskräftige Entscheidung kann ebenfalls einen Versagungsgrund darstellen.
Gemäß Art. 10 HVAÜ kann außerdem die Anerkennung einer Entscheidung versagt werden, sofern der zugesprochene Ersatzanspruch nicht nur der Wiedergutmachung des Schadens dienen soll. Dies betrifft die sogenannten punitive damages, also die Anerkennung von Strafschadensersatz, die im Gegensatz zum U.S.-Recht in Deutschland nicht stattfindet. Aufgrund der Regelung in Art. 10 HVAÜ müssen solche Entscheidungen künftig in Deutschland bzw. der EU weiterhin nicht anerkannt werden.
Das Verfahren über die Anerkennung und die Vollstreckung selbst richtet sich gemäß Art. 13 HVAÜ nach den Regeln des jeweiligen Vollstreckungsstaates. Nach Art. 12 des Abkommens gilt dabei lediglich die Besonderheit, das bestimmte Unterlagen vorzulegen sind. Dies macht ein zusätzliches Exequaturverfahren erforderlich, wodurch dem Gläubiger bei der Vollstreckung ausländischer Urteile zusätzliche Kosten anfallen können. Dies liegt an der innerhalb der USA geltenden Regelung „American Rule of Costs“, wonach jede Partei selbst ihre außergerichtlichen Kosten trägt.

Eine wesentliche Verbesserung?

Grundsätzlich bedeutet das Übereinkommen für die USA eine wesentliche Vereinfachung sowie Vereinheitlichung der Rechtslage. In großen Teilen entspricht das Haager Übereinkommen den bisher geltenden Uniform Acts, wobei einzelstaatliche Regelungen an wichtigen Teilen ergänzt wurden, sodass die Anwendung des Übereinkommens im Ergebnis durchaus eine Vereinfachung darstellt.
Neben den Vereinigten Staaten haben allerdings erst fünf weitere Staaten das Übereinkommen unterzeichnet: Uruguay, Ukraine, Israel, Costa Rica und Russland. Mit dem Beitritt der EU kommen hier 32 wichtige Staaten hinzu, wodurch das Übereinkommen wesentlich an Bedeutung hinzugewinnt.
Letztlich wird eine Vereinheitlichung der Rechtslage jedoch erst nach einiger Zeit tatsächlich eintreten können, da in allen Vertragsstaaten noch die Ratifizierung aussteht. Auch in den USA wird es bis zur Bewilligung durch den Kongress vermutlich noch einige Jahre dauern. So ist auch hinsichtlich des Haager Gerichtsstandübereinkommens, dem die USA bereits im Jahre 2009 beigetreten sind, bis heute keine Bewilligung durch den Kongress erfolgt.
Problematisch erscheint außerdem die Regelung in Art. 29 HVAÜ, die sog. opt-out-Möglichkeit. Ein Vertragsstaat kann hierüber bestimmen, dass zu einem bestimmten anderen Staat durch das Übereinkommen keine Beziehung begründet wird. Diese Regelung stellt eine Art Hintertür dar, die die Vorteile des Übereinkommens wiederum obsolet werden lassen könnte. Auch die Vorgängerversion des Abkommens von 1971 ist an einer vergleichbaren Regelung gescheitert.
Letztlich ist also fraglich, ob das Übereinkommen daher (zeitnah) tatsächlich die erhoffte Vereinfachung der Vollstreckung ausländischer Urteile erreichen kann.

Gerne halten wir Sie zu diesem Thema auch weiterhin auf dem Laufenden!

Autor: Michael Heinze, Rechtsanwalt am Standort Köln

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